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Meine
Damen, ich möchte Sie zu Beginn dieser Rede darauf hinweisen, dass
ich das eine oder andere Kraft- bzw. Fäkalwort verwenden werde. Ich
bitte dies zu entschuldigen und biete zarten Gemütern und Gemüterinnen
hier noch an, vorzeitig den Raum zu verlassen, etwas frische Luft zu schnappen,
vielleicht eine Zigarette im unöffentlichen Raum...bitte...
Liebe Herren, nehmen Sie sich ein Beispiel an den Damen und halten sie weiter
still!
Liebe Künstler und Künstlerinnen, haltet euch fest. Dies wird
holprig!
Zwar kommt diese Rede dieses mal ganz ohne Eigenwerbung daher, aber für
Peter Clouth, Silvia Liebig und Gudrun Kattke bedeutet das nichts gutes.
Denn in der Zeit, die es braucht, um auf Termine hinzuweisen, ist kein Platz
für angemessene Beleidigung. Deshalb, heute, hier, ganz ohne Werbeunterbrechung.
Ich spreche hier von Werbeunterbrechung in Form von Konzertterminen, Terminen,
wie den 21. September 2010, wo half past selber schuld im zakk, abends,
Kinderlieder für Erwachsene zum Besten gibt, also den ersten Teil:
Lausbubenamok.
Halten wir also fest: Für Peter Clouth, Silvia Liebig und Gudrun Kattke
wird diese Laudatio somit zur Achterbahn der Gefühle
Laudatio,
das ist laut wikipedia eine Lobrede zu Ehren einer Person, meistens eines
Preisträgers...blabla blablabla blabla...Der Begriff wird allerdings
auch bei der Verleihung von Negativpreisen verwendet, deren Ansprachen
in der Regel eine Kritik an der entsprechenden Person darstellt.
Davon hab ich mich inspirieren lassen.
(räusper)
Kunst...(Pause)...ist scheiße. Das wissen wir alle. Das wurde schon
tausendmal gesagt. Und es hat leider mindestens über neunhundertmal
gestimmt, um genau zu sein 977-mal! Bleibt die Hoffnung, diese Ausstellung
gehöre zu den anderen 23. Ach, tapfere 23...
Doch
bleiben wir beim Thema.
Kunst ist scheiße. Und bedauerlicherweise werde ich das heute insgesamt
11mal sagen müssen. Vertrauen sie mir, ich habe nachgezählt.
Denn so etwas zu sagen, genau das wird von mir erwartet. Der gierige Laudatio
Hörer, respektive die gierige Laudatio Hörerin möchte,
dass ich kraftvolle Wahrheiten und donnernde Anklagen ausspreche, ganz
im Gegensatz zum Künstler, der Lob und Anerkennung erwartet, doch
aufgrund der zahlenmäßigen Überlegenheit der Besucher
gegenüber den Künstlern, beuge ich mich der Mehrheit und erfülle
deren Ansprüche gerne und willig. Und solange dafür kein besseres
Fäkalwort gefunden wird, solange ist Kunst eben scheiße!
Kunst
ist scheiße. Und dieser Slogan ist von mir nicht zufällig gewählt.
Gerade im Fäkalbereich werden ja die meisten Lacher erzielt und als
Populist sind mir Lacher sehr, sehr wichtig. Das lockert den -an sich
trockenen- Event etwas auf, und zaubert das eine oder andere Lächeln
auf die vollen Backen der Häppchen-kauenden Besucher-Gesichter. Eigentlich
wird diese Lacherquote nur noch von zotigen Sexwitzchen getoppt, man weiß
nicht warum, es mag an der Blödheit des Menschen liegen.
Um dies zu belegen, hier ein paar Beispiele: Kaffee Latte...oder nein,
lieber doch keine weiteren Beispiele. Bleiben wir bei der Kernaussage
dieser Rede:
Kunst ist scheiße. Doch Scheiße...ist eine stinkende Notwendigkeit
des Lebens, ohne sie würden wir uns auffüllen bis wir platzten.
Und das wollen wir nicht, denn wir füllen uns ja so gerne auf, denn
wir füllen uns ja so mit so viel auf. Doch danach, da muss der Dreck
raus. Nachdem man Politik, Kirche und Gesellschaft, womöglich noch
Fernsehen, Kindheit und Werbetafeln verdaut hat (und da hat man noch nichts
gegessen) da muss es einfach raus. Enough is enough, oder wie es unser
Bundeskanzler einst sagte, wichtig ist, was hinten raus kommt.
Kunst
ist scheiße. Und wen finden wir in ihrer Nähe?
Da tummeln sich drei sonderbare Gestalten. Es sind Peter Clouth, Gudrun
Kattke und Silvia Liebig. Und da gibt es die Besucher und Besucherinnen,
sie schwirren wie Fliegen um die Kunst.
Und
was diese drei Scheisser und Scheisserinnen, ich möchte sie an dieser
Stelle Künstler nennen, was diese drei alles aus dieser Scheiße
zu zaubern vermochten und vermögen, das verdeutlicht diese Ausstellung
und das können wir schwirrenden Fliegen hier sehen und erahnen.
Die Ausstellung heisst übrigens Stadtkulturverdichtungsgenossen.
Jetzt mal ehrlich. Der Titel ist doch...äh...zu lang und falsch noch
dazu.
Das Wort "Genossen" im Titel impliziert, da würde zusammengearbeitet
werden, aber wir wissen natürlich, dass es sich bei den dreien um
Konkurrenten handelt, die auch noch einen ähnlichen Markt bedienen
und deshalb niemals Freunde werden können.
Um diese Behauptungen zu belegen, sage ich: "Die Website von Silvia
Liebig ist die Schönste." Und schon hör ich Clouth und
Kattke kochen.
Nein, sie können keine Freunde werden, das ist, als ob sie bei ihrer
Geburt jeder ein Drittel eines alten Amuletts bekommen hätten, und
als sie erwachsen sind und sich küssen wollen, merken sie, dass sie
Geschwister sind, und dass das gar nichts werden kann.
Das ist schade, denn sie könnten sich eigentlich gut verstehen aufgrund
etlicher Gemeinsamkeiten. Sie müssten sich nicht bekriegen.
Aber
bleiben wir beim Thema. Kunst ist scheiße.
Und schauen wir uns diese Scheiße einmal genauer an. Da gibt es
große und kleine Stückchen, da gibt es Kreise, Dreiecke und
Quadrate, da gibt es unzählige Variationen in den verschiedensten
Konsistenzen, aus ein und demselben Ursprungsmaterial:
Aus den Resten der Gesellschaft.
Da sind Getränkekartons, Wäscheklammern, Seile, Fäden,
Nylonfäden, Klebeband, Perlen, Lego, Plastikabfall, alle Kunststoffsorten
wie zum Beispiel PA, PE, PP, PS, PVC, ABS, POM, SAN, PET, PET-G, PPO,
PCA, PBT, PC, PMMA, PPS, Teflon und Silikonkautschuk sowie Sondermaterialien
auf Anfrage,
womöglich könnte man für das eine oder andere Objekt sogar
noch Pfand erhalten,
da gibt es außerdem Steine, Holz, Ton, Gips, Bambus, Glas, Karton,
natürlich jede Menge Karton, Teile von Steinen, Teile von Holz, Teile
von Gips, Teile von Bambus, Teile von Glas, Teile von Karton, jede Menge
Teile, jede Menge Karton,
alles aus Zweit-, Dritt- , Viert-, Fünft- oder Noch-mehr-benutzung,
und wir sind uns alle einig, all diese Materialien haben schon Tage gesehen,
wo sie als neu und unbenutzt galten, aber das ist nicht heute.
Wie dem auch sei, aus diesem Ausschuss der Gesellschaft wird hier wieder
eine neue Gesellschaft zusammengebastelt, neue Häuser und neue Städte
und neuer Abfall, ganz so, als gäbe es nichts Sinnvolleres zu tun,
als Häuser und Städte zu bauen.
Alle drei machen dies, so scheints, mit einer Leichtigkeit, die Kinderbasteleien
nahekommt und einer Besessenheit, die auch Kinderbasteleien nahekommt.
Und ich möchte hier Andy Goldsworthy zitieren: " Soviel Mühe,
um mühelos zu leben."
Kunst
ist scheiße. Und als Kind ist eben diese Scheiße das erste
Erfolgserlebnis, das erste selbstgemachte Produkt. Der Stolz zaubert hier
ein Lächeln ins Kinder- und damit auch ins Muttergesicht. Und das
Lächeln in den Gesichtern der drei Künstler und im Gesicht des
Durchschnittsbesuchers vermittelt uns: Es war ein Vergnügen, eine
künstliche Stadt aus dem Ärmel zu schütteln, und uns ist
es ein Vergnügen sie anzusehen.
Nach
eigenen Angaben ist Silvia Liebig Heldin, Sucherin, Leberin und Konzipiererin.
Gudrun Kattke hält sich für eine Bürgerin, Bauerin, Stadtstreiferin,
Pflückerin und Geherin.
Und der feine Herr Clouth gibt vor zu sein, ein Mensch, Allergiker, Erfinder,
Veredler, Zeitvertreiber, Leber und Arbeiter.
Schwer zu sagen, welch ein Produkt aus solchen Tätigkeiten entsteht,
deshalb ganz kurz und knapp, in meinen eigenen Worten:
Die Heldin Liebig macht, wie ich es nenne, "2D 3D Comic Foto MultiD,
gerne auch groß".
Die Bürgerin Kattke inszeniert Chaos zwischen Tante Emma Laden und
Hong Kong.
Und der Mensch Clouth ist neben Karton- nun auch noch Hausbesessener,
er baut Planeten, nur um sie behausen zu können, außerdem behält
er auch die dafür nötige Infrastruktur im Blick, wie Schiffe
und Krane.
Kunst
ist scheiße. Und weil in der Kunst ja alles erlaubt ist, da darf
sie sich auch selbst beschimpfen und genüsslich auf sich herumtrampeln,
da darf sie aber auch mal loben, und das sind die stillen Momente im Leben
eines Künstlers, wo einer mal danke sagt, obwohl er gar kein Bild
kaufen möchte.
Ich sage: Danke, Peter Clouth, danke, Silvia Liebig und danke, Gudrun
Kattke - für die Einladung in eure Welt.
Es war euch ein Kinderspiel, dies hier alles hergestellt zu haben, wir
selbst haben kindliche Freude an Schnick und an Schnack.
Einziges Manko, dass es den echten Kindern verboten wird, hier etwas anzufassen.
Da ich selbst keine Kinder habe, sage ich an dieser Stelle "Haha
Haha", verweise aber darauf, dass es meiner aktuell-anarchistischen
Lebenseinstellung zufolge, den Rotzlöffeln eigentlich erlaubt sein
sollte, alles, aber auch wirklich alles immer anzufassen. Wie soll man
denn zum Beispiel so einem gelben Kran widerstehen können, wenn man
8 Jahre oder 6 Jahre oder 41 Jahre alt ist und von Beruf Junge?
In einem Kinderparadies muss es Kindern erlaubt sein, alles anfassen zu
dürfen!
Da müsste der Künstler eigentlich weg von der Sparsamkeit und
hin zur Verschwendung und Farbe benutzen, die innerhalb von Minuten oder
wenigstens Monaten trocknet und dabei völlig ungiftig ist, sowie
stabiles Material verwenden, das zerstörerischen Anarcho-Kinderpfoten
standhält.
So
ist das kein Kinderparadies!
Das
haben Clouth, Kattke und Liebig nicht bedacht, als sie diese Kinderstadt
errichteten.
Kunst ist scheiße. Und auch das haben die drei nicht bedacht, denn
hätten sie dies in Erwägung gezogen, es gäbe hier sicherlich
ein Permanent-Duftspray, sei es Zitrus, Erdbeer oder Hawaii, um den Kunst-Konsequenzen
entgegenzutreten.
Doch das taten sie nicht...
...riechen Sie es?
Und diese Frage habe ich strategischerweise ans Ende dieser Laudatio gelegt,
um mit Hilfe der Sommerhitze ein Maximum an Wirkung daraus zu erzielen.
Ahhh, riechen Sie es?
Das ist der Duft der Kunst, der unsere Naseninnenwände streichelt.
Atmen sie tief und fest den Duft der Kunst...
Und wer jetzt mitgezählt hat, wird bemerken, dass ich meinen heutigen
Slogan erst neun mal statt der versprochenen 11mal sagte.
Deshalb:
Kunst ist eine Notwendigkeit des Lebens, damit wir nicht platzen.
Kunst ist verdaute Gesellschaft.
Kunst ist scheiße. Kunst ist Scheiße.
Nase zu und durch.
Thank you.
Good night. Good shit.
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